Heiner Dettmer

"Vielleicht sollten wir erstmal eine Verlagerung von der Schiene auf die Wasserstraße diskutieren“

10.10.2024

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Die Dettmer Reederei ist eine der führenden Binnenschifffahrts-Reedereien Europas in Familienbesitz. 1947 durch Bernhard Dettmer als Nordwestdeutscher Frachtverkehr B. Dettmer & Co. Bremen gegründet, bietet die Dettmer Group heute Transport- und Logistikdienstleistungen auch für den Land- und Luftverkehr. Entsorgung und Recycling sind weitere starke Standbeine der Unternehmensgruppe. Heiner Dettmer sammelte nach dem Studium in Berlin Berufserfahrung in London und Hamburg und trat 1979 in die Geschäftsleitung der Reederei ein. DDW „Die Deutsche Wirtschaft“ hat die Dettmer Group 2019 als führendes Unternehmen gelistet. Mittlerweile ist auch seine Tochter Julia als Gesellschafterin eingetreten. Wir fragen bei einem erfolgreichen Familienunternehmer nach, wie er die Geschicke seines Unternehmens lenkt, wie er die wirtschaftliche Lage einordnet, was er von der Politik erwartet und wie er die Zukunft der Branche sieht.

Quelle: Reederei Dettmer
Quelle: Reederei Dettmer

Herr Dettmer, Infrastruktur, genauer gesagt die Mängel der Infrastruktur werden allenthalben beklagt. Ihr Unternehmen ist zu Lande, zu Wasser und in der Luft unterwegs. Wo klemmt es derzeit am meisten?

Für uns sind die Wasserwege heute eines der Hauptthemen, die uns Sorge bereiten. Gemessen an ihrer Bedeutung für die Wirtschaft wird die Binnenschifffahrt leider weder in der Politik noch in der Bevölkerung in ausreichendem Maße wahrgenommen. Sie ist durchaus systemrelevant, denn auf den Wasserwegen werden jährlich bis zu 200 Millionen Tonnen Güter transportiert. Wenn diese Wasserwege durch Störungen wie aktuell durch den Brückeneinsturz in Dresden oder durch defekte Schleusen unterbrochen werden, hat das katastrophale Auswirkungen auf die Versorgung der Industrie.

Gemessen an ihrer Bedeutung für die Wirtschaft wird die Binnenschifffahrt leider weder in der Politik noch in der Bevölkerung in ausreichendem Maße wahrgenommen. Sie ist durchaus systemrelevant, denn auf den Wasserwegen werden jährlich bis zu 200 Millionen Tonnen Güter transportiert.

Zur Not gibt’s aber doch Straße und Schiene?

Die anderen Verkehrsträger sind voll ausgelastet und können diese Mengen gar nicht übernehmen. Unternehmen, wie BASF beispielsweise, transportieren heute ca. vierzig Prozent ihrer Rohstoffe auf dem Wasser. Oder nehmen wir andere Unternehmen, die wie ich höre, überlegen selbst in Schleusen zu investieren, um sicherzustellen, dass die Schleusen funktionsfähig bleiben, weil Sie befürchten, dass sonst ihre Werke nicht mehr beliefert werden können. Das zeigt uns doch, welche Folgen die eklatanten Versäumnisse der Vergangenheit haben.

Warum findet die Binnenschifffahrt so wenig Beachtung?

Die Binnenschifffahrt hat zwischen 4000 und 5000 Mitarbeiter, je nachdem, ob Beschäftigte der Häfen mitgezählt werden. Das ist kein Wählerpotenzial. Die Prioritäten sind daher kaum auf Wasserstraßen ausgerichtet.

Die Binnenschifffahrt hat zwischen 4000 und 5000 Mitarbeiter, je nachdem, ob Beschäftigte der Häfen mitgezählt werden. Das ist kein Wählerpotenzial.

Wie hoch müssten denn die Investitionen sein, um den dringendsten Bedarf zu decken?

Bis jetzt hieß es, wir brauchen mindestens zwei Milliarden im Jahr. Das ist zwar viel Geld, aber im Verhältnis zu anderen Verkehrsbereichen keine Riesensumme. Realistischerweise sind es angesichts der Preissteigerungen heute eher 2,4 Milliarden Euro pro Jahr.

Wie viel erwarten Sie tatsächlich?

Zum Entsetzen der Branche sollten die Mittel für 2025 anfangs sogar gekürzt werden. Jetzt stehen in den Haushaltsberatungen des Bundes rund 1,8 Milliarden Euro zur Diskussion. Der Substanzverlust in den Kanälen, Schleusen und Brücken wird also weiter stattfinden. Vielleicht ist das Gewerbe auch selbst ein wenig dafür verantwortlich, weil es nicht massiv genug darauf gedrungen hat, die Mittel weiter aufzustocken.

Jetzt stehen in den Haushaltsberatungen des Bundes rund 1,8 Milliarden Euro zur Diskussion. Der Substanzverlust in den Kanälen, Schleusen und Brücken wird also weiter stattfinden.

Wenn das Geld zur Verfügung stünde, könnte es denn auch verbaut werden?

Auch die Planungskapazitäten sind massiv verringert worden. Personal in den Schifffahrtsverwaltungen ist in den vergangenen Jahren in erheblichem Maße abgebaut worden. Aber es gäbe Wege, externe Ingenieurfirmen zu beauftragen. Wichtig ist vor allem Verlässlichkeit für die Unternehmen. Wir müssen doch wissen, was wir im nächsten und übernächsten Jahr als Gewerbe zur Verfügung haben. Dafür brauchen wir eine langfristige Planung. Zumal die meisten Maßnahmen auf Jahre angelegt sind. Eine Schleuse können Sie nicht von heute auf morgen sanieren.

Was halten Sie von dem Investitionsfonds für Wasserstraßen, so wie es auch für die Schiene diskutiert wird?

Grundsätzlich bin ich kein Freund davon, die Schuldenbremse zu lockern. Wir bürden der künftigen Generation zusätzliche Lasten auf. Auf der anderen Seite stehen aktuell keine ausreichenden Mittel zur Verfügung. So gesehen wäre ein Sondervermögen schon ein Thema, das ernsthaft diskutiert werden sollte. Es bleibt aber letztlich eine Umgehung der Schuldenbremse.

So gesehen wäre ein Sondervermögen schon ein Thema, das ernsthaft diskutiert werden sollte.

Daher . . .

. . . sollten wir im gleichen Atemzug auch sagen, wie die Tilgung des Sondervermögens erfolgen soll.

Die Schweiz füllt ihren Schienenfonds mit Einnahmen aus Straßenverkehrsabgaben.

Entgegen früherer Zusagen, die Einnahmen aus der Lkw-Maut und aus der Luftverkehrsteuer in den Verkehrssektor zu investieren, fließen sie in Deutschland in den allgemeinen Haushalt. Diese Mittel müssten genutzt werden, um damit das Sondervermögen zu tilgen.

Diese Mittel müssten genutzt werden, um damit das Sondervermögen zu tilgen.

Die Probleme auf dem Wasser scheinen denen auf der ebenso sanierungsbedürftigen Schiene zu gleichen. Wie schätzen Sie das politische Ziel ein, den Gütertransport auf der Bahn bis 2030 - also schon in gut fünf Jahren - um ein Viertel zu steigern?

Mein Vertrauen ist diesbezüglich ehrlich gesagt nicht sehr groß. Zumal der Personenverkehr Vorrang hat, was auch vernünftig ist. Andererseits sind die Trassen heute schon ausgelastet. Eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist nur begrenzt möglich. Die Bahn ist voll ausgelastet

Es gibt also gar keine Alternative?

Doch! Die Binnenschifffahrt hat Kapazitäten frei. Vielleicht sollten wir erst mal eine Verlagerung von der Schiene auf die Wasserstraße diskutieren. Zum Beispiel Massenguttransporte auf der Rheinschiene. Das könnte die Bahn auch kurzfristig in die Lage versetzen, andere Gütermengen aufzunehmen.

Die Binnenschifffahrt hat Kapazitäten frei. Vielleicht sollten wir erst mal eine Verlagerung von der Schiene auf die Wasserstraße diskutieren. Zum Beispiel Massenguttransporte auf der Rheinschiene.

Werden Logistik und Transport auf Jahre zum limitierenden Faktor für die gesamte Wirtschaft?

Das ist schon fast zu befürchten. Denn die Mittel sind auf absehbare Zeit nicht ausreichend, um die Infrastruktur in den Zustand zu versetzen, den die Wirtschaft wirklich braucht.

Von Neu- und Zubau ganz zu schweigen?

Es nutzt nichts, angesichts der begrenzten Mittel in Neubauprojekte zu investieren, die in ein paar Jahren ebenfalls reparaturanfällig werden. Erst mal sollte die bestehende Infrastruktur wieder in einen zuverlässigen Zustand versetzt werden. Teure Prestigeprojekte können wir uns zurzeit nicht leisten.

Erst mal sollte die bestehende Infrastruktur wieder in einen zuverlässigen Zustand versetzt werden.

Ihr Unternehmen ist in vielen Sparten unterwegs - inzwischen sind auch Entsorgung und Recycling wichtige Standbeine. Tun sich für Sie mit neuen Energieträgern wie Wasserstoff neue Geschäftsfelder auf? Oder könnten Sie sich vorstellen, bald als Logistiker für Transport oder Lagerung von CO2 anzutreten?

Beim Wasserstoff sehe ich die Entwicklung noch etwas skeptisch. Das Thema CO2 hingegen beschäftigt uns sehr, ist jedoch auch mit hohen Investitionen verbunden. Dafür brauchen wir neue Kesselwagen und Umschlaganlagen. Wir schauen uns schon um, welches Equipment wann, wo und zu welchem Preis verfügbar wäre.

Unter welchen Bedingungen sind Sie bereit, solche Risiken zu schultern?

Bislang fehlt uns die politische Unterstützung. Lange Zeit war das Verpressen von CO2 in unterirdische Lagerstätten in Deutschland verboten. Vor allem die Regierungspartei der Grünen war nie ein großer Freund davon. Inzwischen ist klar, dass wir dieses Thema nicht ignorieren dürfen. Die Meinung, dass der CO2-Transport auf der Schiene und auf dem Wasser unwirtschaftlich ist, teile ich aber nicht. Nicht die Bundesregierung sollte darüber entscheiden, sondern das sollte man den Unternehmen selbst überlassen. Wir sehen jedenfalls die Möglichkeit solche Transporte zu organisieren.

Nicht die Bundesregierung sollte darüber entscheiden, sondern das sollte man den Unternehmen selbst überlassen.

Herr Dettmer, Ihre Unternehmensgruppe agiert in einem Markt, in dem Milliarden schwere internationale Konzerne unterwegs sind. Wie schlägt man sich da erfolgreich als Mittelständler?

Ich glaube, dass wir mit unseren Segmenten Binnenschifffahrt und Bahn, Tanklager, Luftfracht und Entsorgung gut aufgestellt sind. Zwischen diesen Bereichen gibt es viele Synergien. Das können andere Unternehmen nicht in diesem Maße leisten. Wir selbst sind in der Lage, Schwankungen in diesen Bereichen gut auszugleichen. Und deshalb sehe ich unserer Zukunft als Familienunternehmen sehr gelassen entgehen und glaube, dass wir auch mit unserer finanziellen Basis für den Wettbewerb gut aufgestellt sind.

Die „DVFragt nach-Interviews“ geben die Meinung der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner wieder.