Klinkner fordert vom Bund Mut für eine Fondsfinanzierung von Verkehrsprojekten

Veranstaltung „Überholspur oder Abstellgleis? Industriepolitik für den Mobilitätsstandort Deutschland“

Copyright: DVF/Photothek
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Berlin, 16. Januar 2024 – Der Vorsitzende des DVF-Präsidiums Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner mahnte anlässlich der DVF-Jahresauftaktveranstaltung die Bundesregierung, solide finanzielle Strukturen zu schaffen, um den Hochlauf von Zukunftsinvestitionen und der Transformation des Verkehrssektors zu ermöglichen: „Die öffentlichen Reaktionen der Branche auf die widersprüchlichen Signale und Maßnahmen zur starken Schiene, zur Umweltprämie, zum Luftverkehr und zu den Projekten aus dem Klimaschutz- und Transformationsfonds KTF zeigen die große Betroffenheit und Verunsicherung. Deshalb muss die Bundesregierung jetzt den Mut haben, für die Finanzierung der Verkehrsprojekte mittelfristig den Weg eines Fonds zu gehen und diesen im Grundgesetz zu verankern. Denn für die Wirtschaft und Gesellschaft sind Kontinuität und Planungssicherheit sehr wichtig.“

Um Ziele wie Transformation und Digitalisierung zu erreichen, ist laut Klinkner auch eine flankierende Industriepolitik notwendig. So müsse das Deutschlandtempo endlich Wirklichkeit, Innovationskraft und lokale Wertschöpfung honoriert und staatlich verursachte Kostenbelastungen reduziert werden. Klinkner: „Die Politik muss die Transformation ernst nehmen und dazu ihren Beitrag leisten. Es geht hier um den Aufbau der Tank- und Ladeinfrastruktur und deren sichere Energieversorgung. Ich spreche auch von einer Energiewende. Dazu gehören beispielsweise die Zulassung von HVO100 und die Stärkung von e-Fuels. Zudem ist es unerlässlich, dass die Förderkulisse praxisnah, verlässlich und handhabbar wird.“

Fondslösungen nach schweizerischem Vorbild habe man bereits in der Beschleunigungskommission Schiene vorgeschlagen, sagte Michael Theurer MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr. Jedoch sei eine Realisierung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aktuell nicht mehr möglich. „Die Perspektiven eines Infrastruktur- und Transformationsfonds sind maßgeblich von politischen Entscheidungen abhängig, die derzeit nicht absehbar sind. Gegenwärtig sind in der Haushaltsaufstellung für 2024 sowie in der aktuellen Finanzplanung keine Überlegungen zur Einrichtung eines solchen Fonds vermerkt.“ Daher habe man sich mit der Einrichtung der gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft InfraGo bei der Bahn am österreichischen Modell orientiert. Mit diesem Verfahren könne eine gewisse Planbarkeit geschaffen werden.

„Die Schiene ist eine der größten Stellschrauben für die Verkehrswende und elementar für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, so Jure Mikolčić, CEO von Stadler in Deutschland. „Die Innovationskraft und die technischen Möglichkeiten sind vorhanden, um den Schienenverkehr moderner und attraktiver zu gestalten. Es liegt an der Politik, den Herstellern und den Betreibern, diese auch umzusetzen. Und das geht nicht mit Sparmaßnahmen, sondern nur mit intelligenten Investitionen in eine neue, digitale Infrastruktur, die Elektrifizierung des Netzes sowie modernes Rollmaterial.“

Bundeshaushalt: Kein Einnahmen-, sondern Ausgabenprobelm

Theurer gab zu, dass die Kürzung der Trassenpreisförderung schmerzhaft sei, aber eine Abschmelzung bereits in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten war. Er sprach sich zugleich für eine Änderung der Trassenpreissystematik im Rahmen der Novellierung des Eisenbahnregulierungsgesetzes aus, für die sich auch der Schienensektor einsetzen solle. Der Bund wolle auch im europäischen Kontext über ein neues Trassenpreissystem sprechen.

Isabel Cademartori MdB, Verkehrspolitische Sprecherin SPD-Bundestagsfraktion sagte: „Entscheidend ist, dass wir in diesen Krisenzeiten sichtbare Lösungen und Antworten bieten. Die Infrastruktur hat einen immensen Investitionsbedarf zur Modernisierung, hier bedarf es einer Finanzierungsoffensive. Nur so bleiben wir international wettbewerbsfähig. Für langfristige Aufgaben wie den Klimaschutz müssen überjährige Lösungen geschaffen werden, um die Klimaziele zu erreichen. Und dafür müssen wir dringend über eine Reform der Schuldenbremse und der damit verbundenen Änderung des Grundgesetzes nachdenken. Die Schuldenbremse ist eine Innovationsbremse und es ist an der Zeit, für die Transformation endlich Planungssicherheit zu schaffen.“

Dem widersprach die Bundesvorsitzende Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gitta Connemann MdB:„Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.“ Das Bundesverfassungsgericht habe der Regierung einen klaren Auftrag mit auf den Weg gegeben: Ausgaben priorisieren, Tricksereien im Haushalt beenden. „Unsere Haltung ist klar: Die Kernaufgaben des Staates müssen aus dem Kernhaushalt finanziert werden. Bevor wir über neue Sondervermögen oder gar eine Reform der Schuldenbremse nachdenken, müssen wir die Staatsausgaben in den Griff kriegen.“

Zu kurzfristiges Denken und Stückwerk in der Politik

Jörg Zwilling, Director Global Communications & Business Development QUANTRON AG, forderte zunächst einen Energieplan für Deutschland, der mindestens zehn Jahre umfasse. „Es geht um verlässliche Rahmenbedingungen und Ziele, die eine echte Transformation und den erforderlichen Technologiewechsel begleiten. Es gibt zuviel Stückwerk und kurzfristiges Denken der Regierung, was langfristige Investitionen und den Hochlauf der alternativen Technologie erschwert. Um die ambitionierten CO2-Reduktionsziele zu erreichen, müssen alle verfügbaren Technologien genutzt werden.“ So seien Nullemissionsfahrzeuge durch das Förderprogramm KsNI gefördert worden mit einer Garantie bis 2026, aber im Bundeshaushalt 2024 sei die Förderung entfallen.

Die Verlässlichkeit von politischen Entscheidungen mahnte auch Doreen Paesold-Runge, Geschäftsführerin, WP Holding GmbH, an: „Ohne klare Ansagen und verlässliche Zusicherungen durch die Politik wird es für mittelständische Logistikdienstleister nahezu unmöglich sein, die Umrüstung der Flotte sowie den Ausbau der benötigten Tank- und Ladeinfrastruktur zu bewältigen. Die Kosten einer Umrüstung sind momentan noch so hoch, dass nur wenige Unternehmen sich diesen Schritt ohne staatliche Beihilfen erlauben könnten. Hier gilt es nachzubessern!“

Notwendig sei eine klare deutsche und europäische Strategie für den Wirtschaftsstandort, betonte Kai Mentel, Geschäftsführer HÜBER Gruppe: „Damit wir Wertschöpfung vor Ort in Deutschland und Europa nachhaltig sichern können, müssen die Ungleichheiten im globalen Wettbewerb entschärft werden. Denn Wirtschaftsregionen wie die USA und China haben weitaus weniger Hemmungen, ihre eigenen Wirtschaftsräume mit „Local Content“-Regelungen zu bevorteilen.“ Er beklagte, dass die Politik zwar hohe Anforderungen an Arbeits- und Umweltstandards hiesiger Unternehmen stelle, jedoch bei der Auftragsvergabe in der Regel allein der Preis entscheide, was Anbieter aus Ländern begünstige, die diese Standards nicht hätten.

„Wir brauchen ein Belastungsmoratorium für Bürger und Betriebe. Denn sonst fressen der CO2-Preis, die Sozialabgaben oder die überbordende Bürokratie jede Entlastung wieder auf“, forderte Connemann abschließend. „So wie jeder Bürger und jedes Unternehmen braucht auch der Staat Ausgabendisziplin. Hier muss Deutschland umsteuern. Und Bürokratie abbauen: Die Einfuhrumsatzsteuer ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir die Wirtschaft und den Staat administrativ über Gebühr belasten.“