Luftverkehrsstandort Deutschland droht den Anschluss zu verlieren

Branche fordert Senkung der Standortkosten und mehr Unterstützung für nachhaltige Flugkraftstoffe

09.10.2024

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Bild Quelle: DVF/Photothek
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Berlin, 09. Oktober 2024 – Beim Parlamentarischen Abend Luftverkehr des Deutschen Verkehrsforums hat Dr. André Walter, Vorsitzender der Geschäftsführung Airbus GmbH und Airbus Aerostructures GmbH sowie DVF-Präsidiumsmitglied, eine bessere finanzielle Ausstattung für die Transformationsförderung der Luftfahrt gefordert: „Die Luftverkehrsteuer ist zum Mai dieses Jahres deutlich angehoben worden. Es ist notwendig, dass die Einnahmen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wieder zurück in den Sektor fließen. Konsequent wäre eine Luftverkehrsabgabe, deren Einnahmen zweckgebunden für nachhaltige Flugkraftstoffe, Flottenmodernisierung und Luftfahrtforschung eingesetzt werden. Für einen erfolgreichen SAF-Hochlauf bedarf es außerdem der Senkung regulatorischer Hürden.“

Walter betonte, dass auch die Flottenmodernisierung ein Schlüsselfaktor für die Emissionssenkung sei: „Derzeit sind nur rund ein Drittel der fliegenden Flotte Flugzeuge der neuesten Generation. Jedes neu ausgelieferte Flugzeug verspricht eine CO2-Einsparung von mindestens 20 Prozent im Vergleich zur vorherigen Flugzeuggeneration.“ Essenziell sei außerdem die Unterstützung aus dem Nationalen Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo). Es gehe darum, grundlegende Innovationen wie die Wasserstofftechnologie in der Luftfahrt anzuschieben.

Peter Gerber, CEO der Condor Flugdienst GmbH, wies auf den gravierenden Konnektivitätsverlust hin, der sich in Deutschland aktuell vollziehe: „Der deutsche Luftverkehrsstandort erholt sich nur schleppend von den Folgen der Corona-Pandemie und liegt im europäischen Vergleich weit abgeschlagen zurück. Gleichzeitig sind die staatlichen Standortkosten – insbesondere bei Flugsicherung, Luftsicherheit und Luftverkehrsteuer – stark gestiegen und bremsen die Erholung weiter aus. Nur mit einer nachhaltig wettbewerbsfähigen Kostenstruktur an den deutschen Luftverkehrshubs können die heimischen Airlines gewinnbringend operieren und so die Anbindung Deutschlands an die Welt aufrechterhalten. Hierfür muss die Politik die Weichen dringend auf Kurskorrektur stellen.“

Standortkosten in Deutschland zu hoch – Absenkung der Belastungen gefordert

Thilo Schmid, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Köln/Bonn GmbH, bekräftigte: „Auch in diesem Jahr gibt es im Passagierverkehr am Köln Bonn Airport bislang einen leichten Aufwärtstrend und das Frachtvolumen liegt weiterhin auf hohem Niveau – und doch sehen auch wir dunkle Wolken am Horizont: Am Luftverkehrsstandort Deutschland gehen aufgrund der hohen staatlichen Kosten aktuell viele Chancen vorbei. Das zeigt sich nicht nur an schrumpfender Konnektivität im Passagierbereich, sondern auch daran, dass Fracht teilweise nicht direkt nach Deutschland geflogen wird, sondern in Nachbarstaaten umgeschlagen und danach mit dem Lkw ins Land transportiert wird.“

Die Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt Dr. Anna Christmann MdB wies auf den Arbeitskreis klimaneutrale Luftfahrt hin, aus dem bereits wichtige Handlungsempfehlungen hervorgegangen seien. „Mit dem Programm Uplift haben wir gemeinsam mit dem DLR ein Erprobungsflugzeug für vollsynthetische Flugkraftstoffe und Wasserstoff im Einsatz. Der entscheidende Schritt, den wir jetzt schaffen müssen, ist der Aufbau industrieller Produktionsanlagen für SAF. Dafür sind alle Beteiligten von den Herstellern bis zu den Fluggesellschaften und Investoren gefordert.“ Die gesetzlichen SAF-Quoten seien elementar, um den Markthochlauf zu stimulieren und Planungssicherheit für die Unternehmen zu schaffen. „Das Know-how ist vorhanden. Wir müssen saubere Kraftstoffe jetzt in den Luftverkehrsalltag bringen“, so Christmann.

Anja Troff-Schaffarzyk MdB, SPD-Bundestagsfraktion, sah die Verbesserung der Standortbedingungen und der Konnektivität als sehr wichtig an. "Aufgabe der Politik ist die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen für den Luftverkehr. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dem Frankfurter Modell hat die Bundesregierung wichtige Erfolge gegen Personalmangel und für effizientere Sicherheitskontrollen an den Flughäfen durchgesetzt. Dieser Weg zur Standortstärkung muss fortgesetzt werden", so Troff-Schaffarzyk.

Für eine Abschaffung oder Reduzierung der Luftverkehrsteuer setzte sich Björn Simon MdB, CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ein: „Entscheidender Faktor bei den deutlich zu hohen Standortkosten ist die Luftverkehrsteuer, die seitens der Ampel-Regierung zum 1. Mai 2024 noch ein weiteres Mal erhöht wurde. Die Abgabe muss, wie es die schwedische Regierung vorgemacht hat, abgeschafft oder zumindest deutlich reduziert werden. Zudem müssen die gesamten Einnahmen zweckgebunden in Forschung und Entwicklung von klimaneutralem Fliegen investiert werden.“

SAF-Quote wettbewerbsneutral umsetzen

„Die deutschen Standortkosten sind zu hoch“, schloss sich Jürgen Lenders MdB, Bundestagsfraktion der Freien Demokraten, der Analyse an. „Zum Glück haben wir einen Verkehrsminister, der sich des Problems angenommen hat und prüft, wie noch in diesem Jahr entlastet werden kann. Perspektivisch brauchen wir für die Luftverkehrsteuer eine wettbewerbsneutrale, europäische Lösung – Beim Luftverkehr darf es keine nationalen Alleingänge mehr geben.“

Condor-CEO Peter Gerber bekräftigte, dass SAF der Schlüssel für CO2-neutrales Fliegen in der Zukunft sei. Die verbindliche europäische SAF-Quote sei grundsätzlich richtig. Allerdings seien insbesondere strombasierte PtL-Kraftstoffe in absehbarer Zukunft weder in ausreichender Menge noch zu wettbewerbsneutralen Preisen verfügbar. Er erwarte, dass die Bundesregierung die EU-Vorgabe 1:1 umsetze und einheitliche Standards sicherstelle.