Mobilität für Deutschland - Pressespiegel

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Streiks und Blockaden in der Logistik: Was muss die Bundesregierung jetzt tun, um die Situation zu verbessern?

Was sind die Gründe für die momentanen Proteste in der Logistik? Wie gefährlich ist das für die Lieferketten und unsere Versorgung, und was muss die Bundesregierung jetzt tun? Ein Interview mit Professor Raimund Klinkner, Vorsitzender des Deutschen Verkehrsforums (DVF) in Berlin.

Wir erleben derzeit viele Proteste, Streiks und Blockaden in Deutschland. Selbst Firmenchefs von Transport- und Speditionsbetrieben gingen im Januar auf die Straße.  Warum ist in der Branche gerade jetzt der Unmut so groß, welchen Teil Schuld trägt die momentane Bundesregierung?

Ich will hier nicht mit dem Finger zeigen und Schuld zuweisen. Aber es ist klar, dass die Bundesregierung durch kurzfristige Rücknahmen von Zusagen und immer mehr Belastungen Vertrauen bei den Unternehmern verspielt. Das ist dramatisch, und die Folgen haben wir alle in den letzten Wochen gesehen. Der Unmut regt sich hauptsächlich bei den Transportunternehmern wegen der nicht eingehaltenen Zusagen. So kam die Mauterhöhung um über 80 Prozent extrem kurzfristig zum 1. Dezember 2023. Viele Verträge mit Auftraggebern waren da bereits geschlossen und konnten preislich nicht mehr angepasst werden. Die Zusage im Koalitionsvertrag, eine Doppelbelastung durch die Einführung der CO2-Maut und durch das Brennstoff-Emissionshandelsgesetz BEHG zu vermeiden, wurde nicht eingehalten. Kurz gesagt, der Lkw zahlt die CO2-Steuer an der Zapfsäule und zusätzlich einen CO2-Preis innerhalb der Maut. (...)

Stichwort „resiliente Logistik“. In welchen Bereichen sehen Sie da in den Unternehmen in Industrie, Handel und Logistik die größten Defizite, und wie sollten diese da nachbessern?

Die Unternehmen sind grundsätzlich resilient aufgestellt. Streiks können jedoch nur bedingt abgefedert werden. Dies geht in Teilen über stärkere Lagerhaltung, um kurzfristige Störungen kompensieren zu können. Allerdings ist das kostenintensiv. Trotz der Gefahr von Streikausfällen rechnet es sich also nicht, den Pfad der „just-in-time-Logistik“ zur Lagerhaltung grundsätzlich zurückzugehen. Deshalb gilt es an der der Ursache für die Streiks zu arbeiten. Das betrifft die Rahmenbedingungen, mit denen die Branche konfrontiert ist.

Ein wichtiger Faktor ist hier auch die resiliente Infrastruktur. Für deren Bereitstellung ist der Staat verantwortlich, sei es in Eigenregie oder durch öffentlich-private Partnerschaften. Wir merken gerade, dass die Substanz bröckelt und die darüber hinaus notwendige Resilienz gegenüber Störungen und Klimawirkungen wie Hitzewellen und Hochwasser nicht ausreichend ist. Das ist ein Problem, das uns in Zukunft noch viel stärker belasten wird, wenn wir es jetzt nicht angehen.

Was sind darüber hinaus drei wichtigsten Hebel, an denen die Politik jetzt ansetzen muss, um die Logistik leistungsfähig und -bereit zu halten?

Wir haben dazu im vergangenen November eine Umfrage bei unseren Mitgliedsunternehmen durchgeführt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Den Unternehmen brennen die Themen Fachkräfteverfügbarkeit, Bürokratie und Infrastruktur sowie Digitalisierung am meisten unter den Nägeln. Diese Themen adressieren wir als Deutsches Verkehrsforum (DVF)  mit Lösungsvorschlägen fortwährend an die politischen Entscheidungsträger. Wir brauchen unbedingt schlanke Prozesse bei der Anerkennung von Qualifikationen, Abbau von Sprachhürden bei Ausbildung und Prüfungen, aber auch ein besseres Bildungssystem. Es ist nötig die Berichtspflichten abzubauen, Verwaltungen zu digitalisieren und personell besser auszustatten sowie Förderanträge handhabbar zu machen. (...)