Das BMDV hat sich aufgrund der verschärften Bedrohungslage zur besseren Krisenvorsorge und Krisenreaktion neu aufgestellt und eine Stabsstelle Krisen und Sicherheit in der Leitungsabteilung eingerichtet, unter der drei Referate zusammengeführt wurden. Zum Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes erläuterte Marc-Andor Lorenz zwei Ziele: Erstens solle bis Herbst 2024 die europäische CER-Richtlinie (Critical Entities Resilience) eins zu eins umgesetzt werden. Zweitens wolle man weitere Bereiche integrieren, um den physischen Schutz von Infrastruktur im nötigen Umfang zu regeln. Dies sei durch die (mittlerweile modifizierte und nunmehr in § 4 Absatz 2 zu findende) Öffnungsklausel in § 6 möglich, die auch Betreibern kritischer Infrastrukturen, die unterhalb der Schwellenwerte liegen, resilienzsteigernde Maßnahmen nahelegt. „Das KRITIS-Dachgesetz ist auf den physischen Schutz kritischer Einrichtungen ausgerichtet. Ziel des Gesetzes ist es, den bestehenden Regulierungsrahmen für die IT-Sicherheit entsprechend zu ergänzen und so ein insgesamt kohärentes Regelungsregime zu definieren.“ In der Ressortabstimmung verfolge das BMDV das Ziel, das notwendige Schutzniveau und die wirtschaftlichen Belastungen der Betreiber in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, so Lorenz.

"Ziel des Gesetzes ist es, den bestehenden Regulierungsrahmen für die IT-Sicherheit entsprechend zu ergänzen und so ein insgesamt kohärentes Regelungsregime zu definieren.“

Marc-Andor Lorenz

Mit der neuen CER-Richtlinie sollen unter anderem physische Barrieren und Zugangsbeschränkungen Angriffe verhindern. Außerdem verlangt die Richtlinie Vorkehrungen zur Bewältigung von Angriffen und zur Rückkehr zum Normalbetrieb. Lorenz erklärte die im Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes vorgesehene Äquivalenzprüfung, wonach vorhandene Schutzmaßnahmen und Zertifikate angerechnet werden können. Außerdem haben die erfassten Sektoren die Möglichkeit, über Branchenstandards ihre Resilienzvorgaben einheitlich selbst zu regeln.

Das BMDV habe vor, Muster-Resilienzpläne zu entwickeln, die auch Hilfestellung bei der Definition von branchenspezifischen Resilienzstandards  geben könnten. Bis zum 17. Januar 2026 müssen die EU-Mitgliedstaaten eine eigene Resilienzstrategie vorlegen und bis zum 17. Juli 2026 die kritischen Einrichtungen in den Sektoren des Anhangs ermitteln. Die Mitgliedstaaten müssen den kritischen Einrichtungen spätestens einen Monat später ihre Einstufung mitteilen. Nach (weiteren) zehn Monaten gelten für sie die Vorgaben des KRITIS-Dachgesetzes.

Das kommt auf die Unternehmen kritischer Infrastrukturen zu

Das kommt auf die Unternehmen kritischer Infrastrukturen zu

Quelle: duisport - Duisburger Hafen AG

Lars Nennhaus, Mitglied des Vorstandes von duisport - Duisburger Hafen AG und Christian Negele, Leiter External Affairs, Compliance & Sicherheitsmanagement, skizzierten zunächst die Größe und Bedeutung von duisport anhand verschiedener Kennzahlen. So seien bei duisport über 1.500 Menschen beschäftigt, fast 52.000 Arbeitsplätze seien in Duisburg und Umgebung direkt und indirekt vom Hafen- und Logistiksektor abhängig. In Duisburg gebe es neun Terminals, während sich ein weiteres im Bau befinde und Kapazität für weitere fast 850.000 TEU bieten werde. Im Duisburger Hafen würden pro Jahr 20.000 Schiffe und 25.000 Züge abgefertigt sowie 400 KV-Züge pro Woche zu 100 nationalen und internationalen Zielen angeboten. Von essenzieller Bedeutung sei eine moderne und zuverlässige Infrastrukturanbindung: Ein Ausfall von Brücken wirke direkt auf den Risikobericht.

"Für Unternehmen die Anrechenbarkeit bereits vorhandener Maßnahmen mit Blick auf das KRITIS-Dachgesetz und die NIS-2-Vorgaben sehr wichtig."

Christian Negele

Negele wies darauf hin, dass insbesondere Versicherungen risikobasierte Sicherheitsmaßnahmen durch vorgegebene Standards verlangten. „Deshalb ist für Unternehmen die Anrechenbarkeit bereits vorhandener Maßnahmen mit Blick auf das KRITIS-Dachgesetz und die NIS-2-Vorgaben sehr wichtig, beispielsweise die Zollvorgaben durch den Authorized Economic Operator Freight (AEO-F) oder Gefahrenabwehrpläne im Sinne der Hafensicherheit. Es müssten branchenspezifische Standards entwickelt werden. Außerdem ist für duisport die Beurteilung schwierig, welche Unternehmensbereiche in den Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelungen fallen. Wir haben eine feingliedrige Struktur des Hafenbetriebes mit rund 280 Pächtern unterschiedlicher Größe“, so Negele.

„Der Hafen geht heute schon in Vorleistung und setzt empfohlenen Maßnahmen um."

Lars Nennhaus

„Der Hafen geht heute schon in Vorleistung und setzt empfohlenen Maßnahmen um. Selbst solche, die bei den kleineren Hafenbetrieben aufgrund des unterschrittenen Schwellenwertes nicht zwingend erforderlich sind. Doch dieser Aufwand ist kostspielig“, sagte Nennhaus. „Die Zertifizierung nach SO 27 001 kostet zwischen zwei bis fünf Millionen Euro.“

KRITIS-Dachgesetz und die Klimafolgenanpassung

KRITIS-Dachgesetz und die Klimafolgenanpassung

Bild Quelle: DVF/Photothek/ V. l.: Leon Schäfer MdB, Ingo Eckert MdB

Für den zuständigen Berichterstatter der Fraktion Bündnis 90/Die Grüne im Ausschuss für Inneres und Heimat im Deutschen Bundestag, Leon Eckert MdB, enthalte die Diskussion um das KRITIS-Dachgesetz eine neue Dimension, da auch der Aspekt der Klimafolgenanpassung integriert werden müsse. Dafür liefere das KRITIS-Dachgesetz Ansätze. Es gehe auch darum, diejenigen Betreiber mitaufzunehmen, die ihre kritische Infrastruktur bisher zu wenig schützen. „Wir verfolgen den All-Gefahren-Ansatz. Das heißt, Risiken unabhängig von ihrer Ursache – etwa Klimakrise, Krieg oder Sabotage – sondern vor allem mit Blick auf ihre Auswirkungen zu bewerten.“, sagte Eckert.

 „Zum einen geht es um die dringende Notwendigkeit der Absicherung kritischer Anlagen und Infrastrukturen, zum anderen muss man eine mögliche Unverhältnismäßigkeit bei Aufwand und Kosten im Blick behalten. Aber es besteht ein großer Regelungsbedarf, denn die Zahl der Angriffe nimmt täglich zu“, sagte Ingo Schäfer MdB, zuständiger Berichterstatter der SPD-Fraktion im Ausschuss für Inneres und Heimat, Deutscher Bundestag. Wichtig sei der Dialog mit den Branchenverbänden, die in die Entwicklung von Maßnahmen zur Harmonisierung einbezogen werden sollten.

Keine Planungsperspektive im Verkehrsetat des Bundeshaushalts

Lenkungskreisvorsitzender Coenen betonte die Notwendigkeit einer zuverlässigen und langfristigen Finanzierungsperspektive für die Branche, um Planungssicherheit für die Unternehmen zu schaffen. So erschwere einerseits die Kameralistik der Haushaltsführung die Planungssicherheit, für 2024 sei diese aber auch wegen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) nicht gegeben. „Für die Umsetzung der zahlreichen Sanierungsvorhaben zum Erhalt der Infrastruktur und für mehr Geschwindigkeit bei der zur Effizienzsteigerung dringend benötigten Digitalisierung sind klare und verlässliche Investitionslinien unerlässlich. Nur so können Unternehmen Kapazitäten aufbauen und vorhalten.“

„Für die Umsetzung der zahlreichen Sanierungsvorhaben zum Erhalt der Infrastruktur und für mehr Geschwindigkeit bei der zur Effizienzsteigerung dringend benötigten Digitalisierung sind klare und verlässliche Investitionslinien unerlässlich."

Peter Coenen

Nach dem Verfassungsgerichtsurteil gelte es zunächst den regulären Haushalt zu beschließen und im Anschluss Lösungen für den Klimaschutz- und Transformationsfonds (KTF) zu finden, so Mathias Stein MdB, Mitglied im Verkehrsausschuss der SPD-Bundestagsfraktion. „Auf die bisherigen Haushaltsverhandlungen können wir stolz sein, weil nur die Ressorts Verkehr und Verteidigung ungekürzt und sogar mit einem Aufwuchs versehen wurden.“ Stein schlug vor, bewährte Instrumente wie die LuFV auf die Wasserstraße zu übertragen. Außerdem erfordere der immense Sanierungsbedarf und der Infrastrukturausbau Personal. In diesem Zusammenhang sah Stein es kritisch, dass eine Personalbesetzung in der Verwaltung aktuell neun Monate dauert. Auch dieses Thema müsse Teil des Deutschlandtempos werden.

Bernd Reuther MdB, FDP-Berichterstatter für den Haushalt im Verkehrsausschuss, erklärte, dass im Bundesfinanzministerium das Bundesfassungsgerichtsurteil so gedeutet werde, dass auch künftige Sondervermögen betroffen sein könnten. "Für die Logistikbranche ergibt sich damit eine doppelt negative Wirkung, nämlich eine Belastung mit der CO2-Maut einerseits und fehlende Entlastung durch das  Abschmelzen der Fördertöpfe andererseits."

"Für die Logistikbranche ergibt sich damit eine doppelt negative Wirkung."

Bernd Reuther MdB