Abbildung 2: CO2-Quellen Analyse SRP Consulting AG & DB InfraGO AG

Zusätzliche Maßnahmen sind somit notwendig. Darüber herrscht Konsens bei Vertretern aus Wirtschaft und Politik. Die Carbon Management Strategie (CMS) der Bundesregierung zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen des Landes drastisch zu reduzieren und bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Kernpunkte dieser Strategie umfassen beispielsweise den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien, die Verbesserung der Energieeffizienz, die Förderung nachhaltiger Mobilität sowie den Ausbau von Wasserstofftechnologien und
-infrastruktur. Darüber hinaus werden Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) sowie zur Nutzung von CO2 (CCU) erforscht und gefördert. Im Kontext der Carbon Management Strategie der deutschen Bundesregierung spielen CCS (Carbon Capture and Storage) und CCU (Carbon Capture and Utilization) eine entscheidende Rolle. CCS-Technologien zielen darauf ab, Kohlendioxid aus industriellen Prozessen und der Energieerzeugung abzuscheiden und dauerhaft in geologischen Formationen zu speichern, um es daran zu hindern, in die Atmosphäre zu gelangen. Nach einem entsprechenden Entwurf des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes ist eine CO2-Speicherung derzeit in der Nordsee geplant. CCU-Technologien hingegen konzentrieren sich auf die Nutzung des abgeschiedenen CO2 als Rohstoff, z. B. für die Produktion von Chemikalien und synthetischen Kraftstoffen. Diese Technologien sollen helfen, die Emissionen nicht vollständig zu dekarbonisierender Sektoren zu reduzieren und gleichzeitig neue Wertschöpfungsketten zu schaffen.

Zur erfolgreichen Umsetzung dieser Maßnahmen sind insbesondere flächendeckend verfügbare CO2-Transportmöglichkeiten notwendig, denn nur ein Teil des abgeschiedenen Kohlendioxids kann perspektivisch an dem jeweiligen Abscheidestandort weiterverwendet werden.

DB InfraGO und SRP Consulting bestätigen diese Prognose aus einer gemeinsamen Marktuntersuchung heraus. Die Zeichen in Unternehmen stehen auf nachhaltiger Transformation durch CO2-Einsparmaßnahmen und Abscheidevorhaben. Den erwarteten Hochlauf der CCS- und CCU-Projekte spiegeln auch die Maßnahmenpläne aus Politik, Forschung und Industrie wider.

Die Marktanalyse zeigt insbesondere, dass die Standorte der CO2-Fokusbranchen dezentral in Deutschland verteilt sind (Abbildung 2). Als Fokusbranchen zählen diejenigen Industrien, in denen es zu prozessbedingten, unvermeidbaren CO2-Emissionen kommt, die auch perspektivisch nicht durch andere Energieträger oder Technologien substituiert werden können. In der Carbon Management Strategie genannt sind: Müllverbrennungsanlagen sowie Glas-, Kalk- und Zementindustrie. Allein die Zementindustrie ist für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich[1]. Dies zeigt das enorme Einsparpotenzial in den genannten Branchen.

Abbildung 2 zeigt die Standorte jener Industrien, die aufgrund ihrer unvermeidbaren CO2-Emissionen im Fokus der Carbon Management Strategie stehen. Die Standorte dieser Branchen liegen dezentral im gesamten Bundesgebiet verteilt, was eine Vielzahl abzudeckender Transportrelationen zur Folge hat. Darüber hinaus zeigt die Darstellung CO2-Cluster in Form einer Dichteanalyse von absoluten, aggregierten CO2-Emissionen in entsprechenden Regionen.

[1] Quelle: Chatham House, nach Tagesschau, 13.10.2023

CO2-Infrastruktur für den Transport in Deutschland

CO2-Infrastruktur für den Transport in Deutschland

Abbildung 3: Vergleich CO2-Transportmodi

Der unmittelbar assoziierte Verkehrsträger für Gastransporte von großem Volumen ist die Pipeline als effizienter und leistungsstarker Transportmodus. CO2-Pipelines existieren jedoch zum heutigen Zeitpunkt in Deutschland nicht, auch weil die rechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für Transport und Lagerung noch nicht final verabschiedet worden sind. Der Aufbau einer flächendeckenden Pipelineinfrastruktur wird häufig als absehbare Lösung dargestellt, ist aber aufgrund verschiedener Herausforderungen nicht rechtzeitig zu leisten, um den hoch gesteckten Zielen der Treibhausgasreduzierung Rechnung zu tragen. Umwidmungen bestehender Leitungen sind auch aufgrund des geplanten Wasserstoffhochlaufs und den dafür benötigten Pipelines nur schwer realisierbar.

Die in der Planung engagierten Unternehmen gehen derzeit von einem kompletten Neubau der Pipeline-Infrastruktur aus. Zeithorizont und Anbindung der Industriestandorte sind unsicher und nicht konkret planbar.

Kohlendioxid kann neben Pipeline auch via Lkw, Güterzug oder Schiff transportiert werden. Bislang sind die zu transportierenden Mengen noch gering und beschränken sich auf CO2 in Lebensmittelqualität (z. B. zur Erzeugung von Kohlensäure) via Lkw und Schiff. Mengen und Zweck dieser Transporte sind aber nicht mit den perspektivisch anstehenden Abscheidemengen vergleichbar. Ein Transport dieser Mengen auf der Straße würde zudem enorme zusätzliche CO2-Emissionen verursachen, die mit den Zielen der Carbon Management Strategie nicht vereinbar sind. Der politische Druck, die Lkw-Flut auf den Autobahnen zu reduzieren und eine reale Verkehrswende herbeizuführen, steigt zusehends.

Auf der Schiene stellen sich die Umsetzungsvoraussetzungen besser dar. CO2, als natürlicher Bestandteil der Luft, ist weder giftig, brennbar noch wassergefährdend. In einem überkritischen Zustand, also durch hohen Druck gepresst, weist CO2 ein ähnliches Fließverhalten wie Flüssigkeiten auf. Eine Verdichtung durch Kompression ist im Vorhinein notwendig, der Transport in diesem Zustand stellt keine Herausforderung dar. Gasdruckkesselwagen eignen sich grundsätzlich für den verflüssigten Transport. Um die Produkthaltezeit in einem verdichteten Zustand besser berücksichtigen zu können, befindet sich die Entwicklung neuartiger Transportwagen in fortgeschrittenem Stadium. Große industrielle CO2-Emittenten sind durch das dichte deutsche Schienennetz und die Existenz von Gleisanschlüssen in vielen industriellen Anlagen direkt an das bestehende Schienennetz der DB InfraGO AG angebunden.

Der CO2-Transport ist also emissionsarm auf bestehender oder auf absehbare Zeit weiterentwickelter Infrastruktur möglich.

Es folgt der Schluss, dass all diese Transporttechnologien relevant sind und sich ihre Nutzung in Zeitpunkt und Anwendungsfall unterscheidet. Denn auch die Analyse der bislang geplanten Pipelinevorhaben unter Berücksichtigung der definierten CO2-Dichtecluster zeigt, dass neben dem Zeithorizont, auch eine flächendeckende Anbindung nicht gewährleistet werden kann (Abbildung 3). Der Planungsstand des Pipelinenetzes zeigt Lücken in relevanten Gebieten und muss sowohl kurzfristig als auch in der Fläche durch andere Verkehrsträger ergänzt werden. Abbildung 3 zeigt die hervorzuhebende Rolle des Schienennetzes durch seine Verästelung. Ein multimodaler Transportansatz ist notwendig und hier ist die gute Kombinierbarkeit mit der Wasserstraße ein weiterer Vorteil der Schiene

Abbildung 4: Schienennetz und Pipelineanbindung (gepl.) der CO2-Cluster

Eine konkrete Kalkulation der in Zukunft zu transportierenden Mengen CO2 ist komplex und von vielen Faktoren abhängig. Die prozessbedingten CO2-Emissionen der Fokusbranchen in Deutschland (ca. 35 Mio. t CO2/a [1]) sind als perspektivisch abzuscheidende und dementsprechend zu transportierende Menge anzunehmen.

Zunächst würden Transportmengen dabei aus kleineren Einzelprojekten stammen und ausschließlich einen projektbezogenen Transportbedarf darstellen, bevor langfristig bis zu 80 % des emittierten CO2 als zu transportieren erwartet werden. Expertenschätzungen rechnen mit großen Transportmengen ab Mitte der 2030er Jahre (Abbildung 5).

Eine CO2-Pipeline ist zu diesem Zeitpunkt realistischerweise noch nicht in der Breite verfügbar, so dass die Schiene als Transportmedium für einen Großteil der zu transportierenden Menge der entscheidende Faktor sein wird.

Die Fertigstellung kürzerer Abschnitte eines Pipelinenetzes im Norden und Westen Deutschlands ist durch verschiedene Anbieter Anfang der 2030er Jahre geplant, der Anschluss Süddeutschlands sogar erst für die Mitte bis zweite Hälfte der 2030er Jahre[2].

Nach Bau, Anschluss und Inbetriebnahme einer Pipeline wird sich das Transportvolumen für den Schienenverkehr auf moderat hohem Volumen einpendeln. Diese Mengen begründen sich durch den nicht flächendeckenden Anschluss an eine geplante Pipeline und der daraus resultierenden Notwendigkeit anderer Transportmodi.

Dabei kann der Schienenverkehr mit seinen Transportarten Ganzzug-, Einzelwagen- und Intermodalverkehr eine sehr weite Spanne von Transportvolumina und Belieferungsfrequenzen abdecken. In der Spitze kann der Bedarf gemäß der Projektprognosen auf über 8.000 Ganzzugäquivalente je Jahr steigen. Langfristig werden etwa 6.000 Ganzzugäquivalente pro Jahr erwartet, um die prognostizierten Transportmengen zu bedienen.

[1] Die Bundesregierung (2022)
[2] Quelle: Ffe: Beitragsreihe Carbon Management, 12.03.2024

Abbildung 5: Prognostizierte Transportmengen auf der Schiene in Mio. t CO2

Technisch machbar und bereit zur Pilotumsetzung

Auch die notwendigen CO2-Abscheidetechnologien sind bereits verfügbar oder in einem Entwicklungsstadium, das lediglich auf den Hochlauf der ersten Pilotprojekte wartet. Fraglich ist nicht, ob Transporte stattfinden werden, sondern wann der CO2-Transport notwendige Realität wird. Der Zeitpunkt wird insbesondere durch die Wirtschaftlichkeit für einzelne Industrien und Standorte determiniert. Das gemeinsame Projekt von SRP Consulting und DB InfraGO berücksichtigt die Wirtschaftlichkeit durch Analyse der Kostenparameter im Abscheidefall des CO2 und der prognostizierten Entwicklung der CO2-Zertifikatspreise im Emissionsfall. Entscheidend ist der individuelle Break-Even-Punkt, an dem Bau und Betrieb einer Abscheideanlage, Transport und Speicherung oder Verarbeitung des CO2 in der Summe günstiger sind als der Kauf von CO2-Emissionszertifikaten. Ein abschließender quantitativer Vergleich ist ausschließlich für den Einzelfall möglich.

Der nächste unabdingbare Schritt sind Pilotprojekte unter Einbeziehung von Akteuren aus relevanten Industrien und Logistikunternehmen, welche die Machbarkeit, die betrieblichen Vorteile und auch die Herausforderungen des Praxiseinsatzes rechtzeitig aufzeigen.

Kooperationen der genannten Stakeholdergruppen sind erforderlich, um die Schiene als Lösungsbestandteil des Transportproblems und damit die Umsetzung der Carbon Management Strategie zu etablieren.

Im Projekt der DB InfraGO AG und der SRP Consulting AG wird mit Industrieunternehmen konstruktiv an konkreten Plänen gearbeitet, den Zug der grünen Industrietransformation ins Rollen zu bringen.

Die Mitgliederbeiträge geben die Meinung der Verfasser wieder.